Leo Rahmig
Medizinstudent im 2. Jahr an der Comenius Universität Bratislava.
Frühjahr 2019 war ein persönlicher Tiefpunkt in meiner jungen Berufslaufbahn. Ich war zwar ausgebildeter Rettungssanitäter und sicher, dass ich Medizin studieren wollte, allerdings liefen die Debatten und Vorschläge zur Studienplatzvergabe in Deutschland überhaupt nicht zu meinen Gunsten. Ich hatte faktisch keine realistische Möglichkeit an einen Studienplatz zu kommen.
Da Aufgeben nicht mein Ding ist, recherchierte ich und fand heraus, dass ein Auslandsstudium sehr interessant sein könnte. Ich bestellte mir von allen Universitäten, die infrage kamen, Infopakete und las mich ein. Es dauerte nicht lang und ein Herr Grewal von einer Studienplatzvermittlung rief mich an. Ich war zwar überzeugt studieren zu wollen, aber so ein Schritt ins Ausland bringt auch einige Unsicherheiten. Alleine die Sprachbarrieren, eine andere Kultur und das erste Mal alleine wohnen, und dann auch noch so weit weg von zu Hause. Es stellte sich heraus, dass Herr Grewal selbst Humanmedizin in Bratislava studiert hatte und deswegen genau wusste, wovon ich sprach. Er konnte mir alle meine Fragen beantworten und nahm sich auch sehr viel Zeit für mich.
Nach diesem Gespräch war ich motivierter denn je. Meine Frustration über die Situation und die scheinbare Aussichtslosigkeit, meinen Traumberuf ausüben zu dürfen, wich und Hoffnung und Ehrgeiz überwogen. Ich war Feuer und Flamme und wollte direkt loslegen, um mich bestmöglich auf den Aufnahmetest vorzubereiten.
Der Aufnahmetest an der Comenius Universität in Bratislava besteht aus Fragen aus den Bereichen der Biologie und der Chemie. Gerade vor Chemie hatte ich großen Respekt, da mir das Fach auch in der Schule nie wirklich gelegen kam. Auf der anderen Seite, sind große Teile des ersten Studienjahres von diesen Fächern ausgehend. Das heißt, was man für den Aufnahmetest lernt, wird man im Studium früher oder später wieder gebrauchen.
Auf den ersten Blick ist es eine große Herausforderung, den ganzen Stoff zu lernen, und eigentlich auf den zweiten Blick auch. Jedoch ist es wie bei fast Allem. Man findet sich irgendwann zurecht, man muss nur anfangen. Also machte ich mir einen Plan für die nächsten zwei Monate und hielt mich auch so gut es ging daran. Biologie fiel mir leichter als Chemie, aber das geht den Meisten so. Von der Agentur wurde auch viel Material, wie eine Online Lernplattform oder anschauliches Videomaterial zu den Themengebieten gestellt, was die Sache schon deutlich erleichterte.
Rückblickend kann ich sagen, dass diese Lernphase bis dato meine intensivste war. Es gab Tage, an denen lief alles wie am Schnürchen und es gab auch Tage, an denen ich sehr verzweifelt war. Trotzdem ist die Motivation eine ganz andere als beispielsweise in der Schule. Man hat sein Ziel vor Augen und mit jedem Tag kommt man diesem ein Stück näher. Und dann ist der Aufnahmetest.
Ich konnte die Nacht vor der Aufnahmeprüfung kaum schlafen. Es war nur noch ein kleiner Schritt zum Ziel und ich war bereit, diesen zu gehen. Am Testtag hat man wirklich keinen Kopf für andere Themen und so war es sehr angenehm, dass die Agentur sich um alles gekümmert hat. Ich wurde persönlich vom Flughafen abgeholt und zum Hotel gebracht. Auf der Fahrt hatte ich auch nochmal Zeit, offene Fragen zum Studium und zum Leben vor Ort in Bratislava zu stellen, was mir auch nochmal ein gutes Gefühl gab. Abends gingen alle Bewerber und die Mitarbeiter der Agentur noch gemeinsam essen. Das war eine wichtige Gelegenheit, sich mit den anderen Bewerbern über seine Sorgen und Aufregung zu unterhalten und diese etwas zu dämpfen.
Am nächsten Morgen ging es dann los. Herr Zehetner und Herr Grewal holten uns ab und brachten uns zur Universität und in den Hörsaal, in welchem die Prüfung stattfand. Die Aufregung war bei allen groß und alle waren angespannt. Wenn der Test dann beginnt, vergeht die Zeit aber wie im Flug. Das lange Warten beginnt erst danach. Der Test ist vormittags, und nachmittags erfährt man die Ergebnisse online. Ich weiß noch, dass ich gerade durch Bratislavas Fußgängerzone lief, als wir die Ergebnisse bekamen. Als ich dann die Gewissheit hatte, dass ich es tatsächlich geschafft hatte, war das eines der unglaublichsten Gefühle. Ich rief sofort meine Eltern an und konnte mein Glück kaum fassen. Ich war Medizinstudent.
Veröffentlicht am 12.11.2020
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